Der 25. September ist der Tag der Zahngesundheit. In diesem Jahr steht das Motto „Gesund beginnt im Mund – von Anfang an!“ im Vordergrund des Aktionstages. Wir sprachen mit PD Dr. Ghazal Aarabi, MSc NAKO-Wissenschaftlerin an der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Sie berichtet wie Zahngesundheit eng mit körperlichen Erkrankungen verbunden ist und wie man die Mundgesundheitskompetenz in der Bevölkerung stärken kann. Ghazal Aarabi ist in der NAKO Gesundheitsstudie auch Mitglied der Expertengruppe „Zahn- und Mundgesundheit“ und Leiterin des Projektes PAROCARD.
Was fasziniert Sie am Bereich der Zahnmedizin?
Mein Interesse für Zahnmedizin begann bereits während meiner Schulzeit, als ich ein Praktikum bei meinem Hauszahnarzt absolvierte. Die handwerklichen Tätigkeiten und die Schnittstelle zur Medizin fand ich sehr spannend. Daraufhin entschied ich mich, in Freiburg Zahnmedizin zu studieren.
Während meiner Doktorarbeit entdeckte ich meine Leidenschaft für die wissenschaftliche Arbeit. Der abwechslungsreiche Alltag an einem Universitätsklinikum, der Kontakt zu Studierenden sowie Patientinnen und Patienten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit, haben mich schließlich dazu bewogen, meine Stelle am UKE anzutreten.
Wie sind Sie von der Forschung am Universitätsklinikum zur NAKO Gesundheitsstudie gekommen?
Einer meiner Forschungsschwerpunkte ist die Epidemiologie. Wir haben in Hamburg zwei große epidemiologische Studien, die NAKO Gesundheitsstudie und die Hamburg City Health Study (HCHS). In verschiedenen Projekten forsche ich zum Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen der Mundhöhle und Demenz sowie Herzerkrankungen.
Wie gelingt es die Mundgesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken?
Während meiner Masterarbeit habe ich festgestellt, dass sowohl die Mundgesundheitskompetenz als auch die Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund oft schlechter sind als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Die vorhandene Datenlage ist begrenzt. Die wenigen vorhandenen Studien wie beispielsweise die KiGGS-Studie zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Zahnputzfrequenz niedriger ist als bei Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Mein Ziel war es herauszufinden, warum die Mundgesundheit und das Mundhygieneverhalten unterschiedlich beziehungsweise welche soziokulturellen Faktoren dafür verantwortlich sind. Das Projekt MuMi „Förderung der Mundgesundheitskompetenz und Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund“ untersucht unter anderem diese Zusammenhänge und möchte die Mundgesundheitskompetenz dieser Bevölkerungsgruppe fördern. Dazu haben wir im Rahmen des Projekts eine mehrsprachige App-Anwendung entwickelt, um die Mundgesundheit in dieser Bevölkerungsgruppe nachhaltig zu verbessern.
„Mein Ziel war es herauszufinden, warum die Mundgesundheit und das Mundhygieneverhalten unterschiedlich ist, beziehungsweise welche soziokulturellen Faktoren dafür verantwortlich sind.“, sagt PD Dr. Ghazal Aarabi.
Die Mundgesundheit einer Person ist abhängig vom Gesundheitswissen, Gesundheitsverhalten und der eigenen Motivation. Diese sind wesentliche Dimensionen der sogenannten Mundgesundheitskompetenz.
Wie genau funktioniert die MuMi-App und welche Inhalte vermittelt sie?
Die MuMi-App ist ein Schulungs-und Präventionsprogramm, das in drei Säulen aufgebaut ist. In der ersten Säule „Was sollte ich tun?“ werden die klassischen Präventionssäulen – Mundhygiene, Fluorid, Ernährung und Inanspruchnahme – vermittelt. In der zweiten Säule „Was sollte ich wissen?“ werden Themen wie der Aufbau eines Zahnes oder relevante Risikofaktoren der Mundgesundheit erläutert. Nutzerinnen und Nutzer bekommen in der dritten Säule „Wer kann mir helfen?“ Informationen über das deutsche Gesundheitssystem vermittelt, welches teilweise ein sehr komplexes ist. Die Anwender der App können auf verschiedene Links zugreifen, die sie zu wichtigen Institutionen führen. Der Inhalt steht den Usern in Deutsch, Englisch, Türkisch, Arabisch und Russisch zur Verfügung.
Was untersuchen Sie in der PAROCARD-Studie?
Die PAROCARD-Studie ist ein Zusatz-Projekt, das die Strukturen der NAKO Gesundheitsstudie nutzt, und untersucht, ob Parodontitis, eine chronische Entzündung der Mundhöhle, mit atherosklerotischen Gefäßveränderungen assoziiert ist. Teilnehmende der Basisuntersuchung der NAKO Gesundheitsstudie erhielten zum Teil zusätzlich eine Untersuchung der Intima-Media-Dicke, also der Innendicke der Gefäßwand der Halsschlagader. Darüber hinaus wurde die zahnärztliche Untersuchung in diesem Projekt erweitert, um den Schweregrad der Parodontitis zu identifizieren. Zudem gibt es jetzt noch die Möglichkeit das orale Mikrobiom der Probandinnen und Probanden zu untersuchen, was uns helfen wird, die Rolle des Mikrobioms besser zu verstehen.
Wie hängen Parodontitis und kardiovaskuläre Erkrankungen zusammen?
Es gibt zwei Wege, wie die Parodontitis Gefäßveränderungen beeinflussen kann: systemische Entzündungen und die Ausbreitung oraler Bakterien. Die Parodontitis löst eine chronische Entzündung im Körper aus, die das Immunsystem auf Hochtouren arbeiten lässt, ähnlich wie bei Morbus Crohn oder anderen systemischen Erkrankungen. Außerdem können Bakterien aus der Mundhöhle in den Blutkreislauf gelangen und sich in den Gefäßen ablagern. Diese Mechanismen verdeutlichen, wie stark die Gesundheit der Mundhöhle mit dem gesamten Organismus verbunden ist.
Gibt es schon erste Ergebnisse?
Die deskriptiven Querschnittsdaten der PAROCARD Studie zeigten Assoziationen der Intima-Media-Dicke (IMT) und Parodontitis in allen Altersgruppen. Allerdings zeichnet sich die Stichprobe der PAROCARD Studie durch ein niedriges Durchschnittsalter und eine gute Mund- und Gefäßgesundheit aus. In unseren Modellen konnten wir zeigen, dass die IMT überwiegend durch Alter (erhöhte IMT) und Geschlecht (erniedrigte IMT bei weiblichem Geschlecht) modelliert wurde. In der Hamburg City Health-Population, in die hingegen mittlere bis ältere Probandinnen und Probanden eingeschlossen wurden, konnten wir in den adjustierten Modellen Assoziationen zwischen Parodontitis und IMT unabhängig von Alter, Geschlecht und anderen bekannten Risikofaktoren wie Diabetes oder Rauchen zeigen. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass es sich um erste Ergebnisse handelt und langjährige klinische Studien benötigt werden, um von eindeutigen Zusammenhängen zu sprechen und Aussagen zur Bedeutung für die Versorgung zu treffen.
Was können Sie zum Vorbeugen von Parodontitis empfehlen?
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt beziehungsweise der Zahnärztin sind wichtig, um eine Parodontitis frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Außerdem sollten Risikofaktoren wie Rauchen reduziert und auf eine zahngesunde Ernährung geachtet werden. Die häusliche Mundhygiene spielt eine entscheidende Rolle, da der Patient oder die Patientin selbst viel zur Vorbeugung und Behandlung beitragen kann.
PD Dr. Ghazal Aarabi, MSc NAKO-Wissenschaftlerin an der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Welche Empfehlung haben Sie für Betroffene?
Wichtig ist eine frühzeitige Diagnostik der Parodontitis vom Zahnarzt beziehungsweise der Zahnärztin, um durch eine Therapie die Entzündungslast im Körper zu senken. Insbesondere die Tertiärprävention, also alle Maßnahmen die das Voranschreiten der Erkrankung und das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen vorbeugen, ist für die Patientinnen und Patienten sehr wichtig. Darunter fallen Maßnahmen wie regelmäßige Kontrolluntersuchungen, aber z.B. auch eine zahngesunde Ernährung. Das bedeutet auch, dass diese Betroffenen eine lebenslange Nachsorge benötigen.
Generell ist das Ziel, die Zähne so lange wie möglich zu erhalten. Zähne sind vor allem auch wichtig für eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Und diese wiederum spielt nicht nur eine wichtige Rolle für die Prävention von Parodontitis und die Entstehung von Karies, sondern auch zur Vorbeugung anderer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz.
Der Tag der Zahngesundheit am 25. September wurde 1991 durch den Verein für Zahnhygiene e.V. (VfZ) gegründet. Die Arbeitsversammlung des Aktionskreises mit rund 30 Mitgliedern aus Gesundheitswesen und Politik stellt jedes Jahr eine andere Zielgruppe in den Fokus. In diesem Jahr steht mit dem Motto „Gesund beginnt im Mund – von Anfang an!” die Mundgesundheit in der Schwangerschaft im Fokus.
Publikationen
- Weil MT, Spinler K, Lieske B, et al. An Evidence-Based Digital Prevention Program to Improve Oral Health Literacy of People With a Migration Background: Intervention Mapping Approach. JMIR Form Res. 2023;7:e36815. Published 2023 May 11. doi:10.2196/36815
- Spinler K, Kofahl C, Ungoreit E, et al. Access Barriers to Dental Treatment and Prevention forTurkish Migrants in Germany – A Qualitative Survey Front. Public Health 2022; 10:862832. doi: 10.3389/fpubh.2022.862832
- Valdez, R., Spinler, K., Kofahl, C. et al. Oral Health Literacy in Migrant and Ethnic Minority Populations: A Systematic Review. J Immigrant Minority Health 2022, 24, 1061–1080 doi.org/10.1007/s10903-021-01266-9
- Spinler K, Valdez R, Aarabi G, et al. Development of the Oral Health Literacy Profile (OHLP)-Psychometric properties of the oral health and dental health system knowledge scales. Community Dent Oral Epidemiol. 2021;49(6):609-616. doi:10.1111/cdoe.12688
- Spinler K, Weil M-T, Valdez R, et al. Mundgesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund – Erste Auswertungen der MuMi-Studie. Bundesgesundheitsbl. 2021,64:977–985, doi.org/10.1007/s00103-021-03371-4
- Holtfreter B, Samietz S, Hertrampf K, et al. Design und Qualitätskontrolle der zahnmedizinischen Untersuchung in der NAKO Gesundheitsstudie. Bundesgesundheitsbl. 2020, 63(4):426-438. doi.org/10.1007/s00103-020-03107-w
Weitere Informationen im Internet
- MuMi – Förderung der Mundgesundheitskompetenz und Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund – G-BA Innovationsfonds
- MuMi+ – Gesunde Zähne für Alle: Förderung der Mundgesundheitskompetenz von Klein bis Groß – G-BA Innovationsfonds
- PAROCARD: Eine bevölkerungsrepräsentative Untersuchung zur Assoziation zwischen oraler Gesundheit und Surrogatmarkern kardiovaskulärer Erkrankungen – NAKO Gesundheitsstudie