Immer noch viele Menschen nehmen die ihnen zustehenden Krebsvorsorgeuntersuchungen nicht wahr. Welche Rolle dabei Persönlichkeitsmerkmale spielen, haben jetzt NAKO Forschende vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht. Sie beschreiben unter anderem, dass stärker extrovertierte, eher neurotische und gewissenhafte Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit Krebsvorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Die Ergebnisse können unter anderem dazu beitragen, die Nichtteilnahme an Krebsvorsorgeuntersuchungen aus psychologischer Sicht besser zu verstehen.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist etwa jeder dritte bis zweite Krebsfall vermeidbar. Früherkennungsuntersuchungen für Krebs werden in vielen Ländern von den Krankenkassen übernommen. Trotzdem ist die Teilnahmequote in Deutschland nach wie vor relativ niedrig. „Ziel unserer Studie war es, anhand von Daten aus der NAKO Gesundheitsstudie den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsfaktoren und der Inanspruchnahme verschiedener selbstberichteter Krebsvorsorgeuntersuchungen zu untersuchen”, erklärt Professor Dr. André Hajek, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in der aktuellen Studie 132.298 Teilnehmende der bevölkerungsbasierten Kohortenstudie NAKO mit einem durchschnittlichen Alter von 53 Jahren befragt, welche Krebsvorsorgeuntersuchungen sie in den vergangenen fünf Jahren wahrgenommen haben und welche Persönlichkeitsmerkmale sie sich selber zuordnen.
Die psychologische Persönlichkeitsforschung hat in der Vergangenheit ein einheitliches Modell zur Beschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen definiert. Dabei lassen sich fünf Haupteigenschaften unterscheiden:
- Gewissenhaftigkeit (Tendenz zu Strukturiertheit und Planung),
- Extraversion (Tendenz zu Kontaktfreudigkeit und Energie),
- Verträglichkeit (Tendenz zu Freundlichkeit und Mitgefühl),
- Neurotizismus (Tendenz zu Nervosität und zu negativen Emotionen) und
- Offenheit für Erfahrungen (Tendenz zu Neugier und Erfindungsreichtum).
Zu den in der Befragung erfassten Krebsvorsorgemaßnahmen gehörten:
- der Test auf Blut in Stuhlproben und die Darmspiegelung zur Darmkrebsvorsorge,
- die Hautuntersuchung auf Muttermale als Früherkennungsmaßnahme von Hautkrebs,
- das Brustabtasten und die Röntgenuntersuchung der Brust (Mammografie) zur Früherkennung von Brustkrebs,
- der Abstrich vom Gebärmutterhals zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs sowie
- die Fingeruntersuchung des Enddarms und der Bluttest des Prostata Spezifischen Antigens (PSA) zur Früherkennung von Prostatakrebs.
„Die Ergebnisse unserer Auswertungen zeigen, dass Menschen mit höherer Extraversion, also kontaktfreudige Personen, mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Krebsvorsorge gehen. Wir vermuten, dass das stärkere Maß an positiven Emotionen dieser Menschengruppe Ängste reduziert, die möglicherweise mit einer Vorsorgeuntersuchung verbunden sind”, berichtet Prof. Hajek. „Überraschend war, dass Menschen, die sich prinzipiell als neugierig und offen für Erfahrungen beschreiben, weniger Vorsorgeuntersuchungen besucht haben. Eine spekulative Erklärung ist, dass Personen mit einer hohen Offenheit für Erfahrungen ihr Leben in vollen Zügen genießen möchten – beispielweise durch Reisen – und daher Vorsorgeuntersuchungen vermeiden, um ihre Lebensplanung kurzfristig nicht zu gefährden.”
Die Studie liefert erste Hinweise, welche Rolle psychologische Aspekte spielen können, wenn es darum geht, ob sich Menschen für oder gegen eine Vorsorgeuntersuchung entscheiden. Die Forschenden empfehlen hierfür weitere vertiefende wissenschaftliche Untersuchungen. Das Wissen kann dazu beitragen, um Angebote der Krebsvorsorge gezielter auch an Menschengruppen mit spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen anzupassen, die die Angebote bislang eher meiden.