Our website is also available in other languages:

Muskelzusammensetzung als möglicher Biomarker für chronische Rückenschmerzen  

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben den Zusammenhang zwischen Muskelqualität und chronischen Rückenschmerzen mittels Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT) und Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) untersucht. Die Analyse der MRT-Daten von rund 30.000 Teilnehmenden der NAKO Gesundheitsstudie zeigte, dass ein höherer Fettanteil in der Rückenmuskulatur sowie eine geringere Muskelmasse mit chronischen Rückenschmerzen assoziiert war. Die Studie verdeutlicht, dass die Erfassung der Muskelzusammensetzung zur Risikoeinschätzung chronischer Rückenschmerzen hilfreich sein könnte. 

Rückenschmerzen betreffen über 80 Millionen Menschen in Europa und sind die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Bestehen die Schmerzen länger als drei Monate, spricht man von chronischen Rückenschmerzen, die nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen massiv einschränken, sondern auch das Gesundheitssystem mit hohen Kosten belasten. 

„Rückenschmerzen, insbesondere in ihrem chronischen Verlauf, sind ein multifaktorielles Problem und treten häufig gemeinsam mit anderen muskuloskeletalen Erkrankungen auf. Die Identifikation veränderbarer Faktoren wie körperliche Aktivität, Ernährung und Alltagsgewohnheiten ist nicht nur für das Therapiemanagement essenziell, sondern bietet auch enormes Potenzial für die primäre Prävention. Radiologische Ganzkörperbildgebung, insbesondere mittels MRT, erlaubt dank KI gestützter Modelle die präzise Quantifizierung einzelner Körperkompartimente. Ein Schwerpunkt unserer Untersuchung lag dabei auf der Skelettmuskulatur im Rückenbereich. Sie wird nicht nur maßgeblich durch Lebensstilfaktoren beeinflusst, sondern ist – unserer Hypothese zufolge – bei chronischen Rückenschmerzen in ihrer Zusammensetzung verändert“, berichtet Dr. Sebastian Ziegelmayer, Wissenschaftler und Arzt am TUM Klinikum. 

Ausgewertet wurden die Ganzkörper-MRT-Daten von 27.518 NAKO-Teilnehmenden im Alter von 19 bis 74 Jahren. 21,8 Prozent berichteten von chronischen Rückenschmerzen. Mittels MRT-basierter und KI-gestützter Muskelsegmentierungen wurde die Rückenmuskulatur markiert und zwischen verfetteter und nicht verfetteter Muskulatur unterschieden. In der statistischen Auswertung berücksichtigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, körperliche Aktivität und Erkrankungen wie Diabetes, Dyslipidämie, Osteoporose oder Osteoarthritis, allesamt Faktoren, die sich nachweislich auf die Zusammensetzung der Muskulatur auswirken. 

Die Analysen der Forschenden ergaben, dass ein höherer Wert an muskulärem Fettgewebe mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für chronische Rückenschmerzen verbunden war, während eine höhere Muskelmasse mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit assoziiert war. Die Studie liefert zudem Belege, dass körperliche Aktivität – in einem Maß, das den Empfehlungen der Welt Gesundheitsorganisation (WHO) mit 150 Minuten moderater bis anstrengender Bewegung pro Woche entspricht – mit der niedrigsten Häufigkeit von Rückenschmerzen korrelierte, während sowohl zu wenig als auch zu viel Bewegung das Risiko erhöhte.  

„Unsere Arbeit weist jedoch auch Einschränkungen auf: Das Studiendesign, das auf Daten zu einem Zeitpunkt basiert, ermöglicht lediglich Aussagen über Assoziationen. Gerade für den Rückenschmerz, der durch viele Faktoren beeinflusst werden kann, sind weiterführende Studien erforderlich, die Kausalzusammenhänge und zugrundeliegende Mechanismen näher untersuchen“, sagt Sebastian Ziegelmayer. „Die Zusammensetzung der Muskulatur wird in der Routinediagnostik oft vernachlässigt, scheint jedoch – insbesondere in Kombination mit weiteren Faktoren wie Lebensstil, psychologischen und biomechanischen Aspekten – ein mögliches Puzzleteil für chronische Rückenschmerzen zu sein. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse einen Impuls für weitere Studien geben, der die Entwicklung individualisierter Managementstrategien ermöglicht und so die wirtschaftliche und gesellschaftliche Belastung durch chronische Rückenschmerzen reduziert.“ 

Weitere Informationen

Kontakt 
PD Dr. Sebastian Ziegelmayer 
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie 
TUM Klinikum
Technische Universität München  
Ismaningerstr. 22,  
81675, München 
s.ziegelmayer@tum.de 

Originalpublikation 
Ziegelmayer S, Häntze H, Mertens C et al. Intermuscular adipose tissue and lean muscle mass assessed with MRI in people with chronic back pain in Germany: a retrospective observational study, The Lancet Regional Health – Europe. 2025; 54, https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2025.101323

Ansprechpartner für die Presse

Dr. Friederike Fellenberg
NAKO Gesundheitsstudie
Leiterin Projekt- und Wissenschaftskommunikation
Am Taubenfeld 21/2
69123 Heidelberg
Tel.: +49 6221 42620-62
E-Mail: friederike.fellenberg@nako.de

NAKO Gesundheitsstudie

Die NAKO Gesundheitsstudie ist die größte Langzeit-Bevölkerungsstudie in Deutschland. In 18 Studienzentren werden seit 2014 über 200.000 zufällig ausgewählte Personen medizinisch untersucht und nach ihren Lebensgewohnheiten befragt. Zum Start der Studie waren die Teilnehmenden im Alter von 20 – 69 Jahren. 

Die NAKO Gesundheitsstudie ist eine prospektive epidemiologische Kohortenstudie. Die Forschenden beobachten dabei eine große Gruppe, eine sogenannte Kohorte, aus gesunden, kranken oder ehemals kranken Menschen über eine lange Zeitspanne. Ziel ist es, durch wissenschaftliche Auswertungen der Daten der Teilnehmenden, Häufigkeit und Ursachen von Volkskrankheiten wie beispielsweise Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen aufzuklären, Risikofaktoren zu erkennen und Wege für eine wirksame Vorbeugung und Früherkennung aufzuzeigen. 

Das Forschungsprojekt wird von 26 Einrichtungen getragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und weiteren Forschungsinstituten in Deutschland arbeiten in einem bundesweiten Netzwerk zusammen. Die Studie wird vom Verein NAKO e.V. durchgeführt. Finanziert wird sie aus öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums für ­Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), der Helmholtz-Gemeinschaft und der beteiligten Bundesländer.  

www.nako.de

Mehr aus „