NAKO Gesundheitsstudie im internationalen Vergleich. Im Gespräch mit Prof. Dr. Nicole Probst-Hensch

Professor Dr. Nicole Probst-Hensch ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der NAKO Gesundheitsstudie und Leiterin der Abteilung für Genetische Epidemiologie nicht übertragbarer Krankheiten am Swiss TPH in Basel, Schweiz. Sie ist eines von sechs Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats der NAKO Gesundheitsstudie und hat mit uns über ihre Beweggründe, Epidemiologe zu werden, die Unterschiede zwischen NAKO und anderen Kohortenstudien sowie die Rolle der Epidemiologie in der Zukunft gesprochen. 

Warum sind Sie Wissenschaftlerin geworden? Hatten Sie das schon immer vor? 

Nach meinem Studium der pharmazeutischen Wissenschaften an der ETH Zürich wollte ich unbedingt Wissenschaftsjournalistin oder Kommunikationsexpertin werden. Ich arbeitete einige Jahre im Kommunikationsteam von Roche. Das war direkt nach dem Brand der Schweizerhalle, eine Lagerhalle des damaligen Chemiekonzerns Sandoz in Basel. Hundertausende Liter verseuchtes Löschwasser gelangten in den Rhein und lösten damals ein gigantisches Fischsterben aus. Zudem führte der Vorfall zu einer erheblichen Luftverschmutzung. Es war also eine interessante Zeit aus Sicht der Umwelt und Gesundheit. Ich war für den ersten Umweltbericht von Roche verantwortlich. Diese Erfahrung hat mein wissenschaftliches Interesse geweckt, Umweltepidemiologe und Epidemiologe für chronische Krankheiten zu werden. 

Wie und warum sind Sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der NAKO Gesundheitsstudie geworden? 

Ich habe die bevölkerungsweite Kohorten- und Biobank der Schweiz, SAPALDIA, aufgebaut, die vor mehr als 30 Jahren mit dem Schwerpunkt Luftverschmutzung und Atemwegsgesundheit initiiert wurde. Angesichts der weitreichenden gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung hat sich auch der Fokus von SAPALDIA erweitert. Die Langzeitstudie wurde zu einer Ressource für die Genom-, Exposom- und Alterungsforschung. Das Exposom bezeichnet das innere chemische Milieu von Organismen. Dies kann von Umweltfaktoren und Schadstoffen beeinflusst werden, und die Veränderungen des Exposoms zu Erkrankungen führen. 

Im Rahmen von SAPALDIA nahm ich an mehreren europaweiten Treffen teil und arbeitete mit NAKO Partnern zusammen, vor allem mit Professor Dr. Annette Peters und ihrem Forschungsteam. Als ich in den wissenschaftlichen Beirat der NAKO Gesundheitsstudie eingeladen wurde, fühlte ich mich sehr geehrt.  

Die NAKO Gesundheitsstudie ist ein wichtiges Vorbild für die Aktivitäten der Schweiz, eine große bevölkerungsbasierte Kohortenstudie und Biobank aufzubauen.  

Prof. Dr. Nicole Probst-Hensch, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der NAKO Gesundheitsstudie

Von meiner Seite aus hoffe ich, der NAKO Gesundheitsstudie mit einer breiten und langfristigen Expertise in der Kohorten- und Biobankenforschung dienen zu können. 

Haben Sie bereits an anderen epidemiologischen Studien mitgewirkt? 

Wie bereits erwähnt, steht SAPALDIA im Mittelpunkt meiner Kohorten- und Biobank-Aktivitäten, die auch die grundlegenden Design-Aspekte für die geplante Schweizer Kohorte und Biobank liefern. Ich habe auch eine Kohorte mit integrierter Biobank in der abgelegenen Elfenbeinküste aufgebaut, eingebettet in die gesundheitliche und demografische Überwachungsstation in Taabo, wo 60.000 Personen seit 2009 kontinuierlich überwacht werden. Die Côte d’Ivoire Dual Disease Burden Cohort konzentriert sich auf die Wechselbeziehung zwischen infektiösen und nicht-infektiösen altersbedingten Krankheiten und integriert Biomarker, um die Verbindungswege zwischen den beiden zu untersuchen. Darüber hinaus habe ich eine Primärversorgungskohorte im Kosovo sowie die COVCO-Basel-Kohorte mit über 10.000 Teilnehmern in Basel aufgebaut, um die langfristigen Auswirkungen der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen auf die psychische Gesundheit, den Lebensstil und das Wohlbefinden zu untersuchen. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist die Beobachtung des psychischen Wohlbefindens der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. 

Was sind die Hauptunterschiede zwischen der NAKO Gesundheitsstudie und anderen Kohortenstudien? 

Die NAKO Gesundheitsstudie bündelt das Fachwissen verschiedener wissenschaftlicher Partner und kann von großen Kohorten und Biobanken im Ausland profitieren. Dadurch kann die NAKO Gesundheitsstudie internationale Harmonisierungsbemühungen mit eigenständigen Modulen kombinieren, die es in bestimmten Bereichen einzigartig machen. Da ich selbst Exposomforscher bin, weiß ich, dass die NAKO Gesundheitsstudie in diesem wissenschaftlichen Bereich sehr starke Partner hat. Die Kombination von zum Beispiel genetischen und externen Exposom-Informationen mit der Bildgebung verschiedener Organe wird neue Erkenntnisse über die Wege liefern, über die unsere Umwelt unsere Gesundheit beeinflusst. 

Welche Rolle wird Ihrer Meinung nach die Epidemiologie in Zukunft spielen? 

Die COVID-19-Pandemie und der Klimawandel lehren uns, dass Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Zukunft möglicherweise mehr Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung haben werden, als medizinische Innovationen. Langfristige Auswirkungen von Infektionen oder Umweltexpositionen, einschließlich Chemikalien, können nur im Rahmen der beobachtenden Epidemiologie untersucht werden. Kohorten, die molekulare und bildgebende Biomarker integrieren, sind nicht nur für das Verständnis der Ätiologie von Krankheiten im Hinblick auf die Gesundheitsförderung von Bedeutung, sondern auch für die Bewertung des Nutzens neuer Screening-Biomarker für die öffentliche Gesundheit. Schließlich ist die Epidemiologie im Rahmen bevölkerungsbezogener Kohorten ein wichtiges Instrument zur Bewertung der Funktionsweise und Qualität des Gesundheitssystems und zur Förderung einer evidenzbasierten Gesundheitspolitik für alle. 

Was erwarten Sie von der NAKO Gesundheitsstudie? 

Die NAKO Gesundheitsstudie wird zum Teil allein, zum Teil im Rahmen internationaler Netzwerke – neue Erkenntnisse über die Ätiologie des Alterns und insbesondere über die Auswirkungen von Umwelteinflüssen und Klimawandel liefern.  

Prof. Dr. Nicole Probst-Hensch, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der NAKO Gesundheitsstudie

Die NAKO Gesundheitsstudie  

  • wird von entscheidender Bedeutung sein, um zu bewerten, welche Bildgebungsalgorithmen für die Vorhersage von Krankheiten wie Alzheimer geeignet sind und welche nicht.  
  • ist von zentraler Bedeutung für das Biomonitoring beim Menschen und kann die Verbindung zu langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen herstellen.  
  • kann als wichtiges Überwachungsinstrument für die Pandemievorsorge dienen. 

Literatur 

Probst-Hensch N, Bochud M, Chiolero A, et al. Swiss Cohort & Biobank – The White Paper. Public Health Rev. 2022;43:1605660. Published 2022 Dec 23. doi:10.3389/phrs.2022.1605660 

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