Studie zeigt: Drei von 100 Personen in Hannover haben Borreliose-Antikörper

Ein Forscher-Team des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung hat die Präsenz von Borreliose-Antikörpern in der Region Hannover untersucht und dabei festgestellt, dass sich bei drei von 100 Personen eine immunologische Reaktion auf eine Borrelien-Infektion nachweisen lässt. Angesichts der Tatsache, dass Hannover im europäischen Vergleich einen hohen Anteil mit Borrelien infizierter Zecken aufweist und der Klimawandel die Ausbreitung und Dichte von Zecken begünstigen kann, ist es wichtig, eine Datengrundlage zu haben, auf die zukünftig zurückgegriffen werden kann.

„Anhand von 8.009 Blutseren aus dem Studienzentrum Hannover der NAKO Gesundheitsstudie haben wir den Antikörperstatus bestimmt“, sagt Max J. Hassenstein, Doktorand der Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). 3,1 Prozent der Proben konnten als sero-positiv für IgGAntikörper [die Antikörper vom Typ Immunglobulin-G (IgG) zählen zu den Abwehrstoffen im Blut, Anm. der Red.] klassifiziert werden. Bezieht man dies Ergebnis auf die Allgemeinbevölkerung in der Region Hannover, bedeutet dies, dass drei von 100 Personen (3.0 Prozent ) von einer Zecke gestochen, in Folge mit Borrelien infiziert wurden und zum Zeitpunkt der Blutentnahme (2014-2018) Antikörper bestimmbar waren.

„Ein negativer Nachweis bedeutet allerdings nicht, dass die Person noch nie infiziert wurde, da Antikörper teilweise zeitlich begrenzt nachweisbar sind.“

Max J. Hassenstein, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)

Wenn diese Werte mit denen aus älteren serologischen Untersuchungen zur LymeBorreliose verglichen werden, ergibt sich ein konstanter Anteil Antikörper-positiven („sero-positiver“) Personen in der Bevölkerung. Die ermittelten Daten haben langfristig eine hohe Relevanz für die Überwachung des Infektionsgeschehens. Aus der Studie geht weiter hervor, dass zunehmendes Alter und männliches Geschlecht mit einer höheren Chance für einen positiven Antikörpernachweis einhergehen. „Zum ersten Mal konnten wir aber einen Zusammenhang zwischen depressiver Symptomatik sowie dem Körpermasseindex (BMI) mit dem Antikörpernachweis zeigen“, berichtet Max J. Hassenstein.

Informationen zur Lyme-Borreliose

Borreliose ist die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung in Deutschland, die auf den Erreger Borrelia burgdorferi s. l. [sensu lato = im weiteren Sinne, Anm. der Red.] zurückzuführen ist. Eine menschliche Infektion ist die Folge eines Zeckenstichs von einer infizierten Zecke. Borreliose kann mehrere Körperregionen betreffen, z. B. die Haut (Erythema migrans), das Nervensystem Neuroborreliose) oder die Gelenke (Lyme- Arthritis). Fünf von 100 Personen entwickeln Antikörper nach einem Zeckenstich, während zwei von 100 von Zecken gestochene Personen eine LymeBorreliose erleiden.

Der Klimawandel spielt eine besondere Rolle bei der Zeckenverbreitung. So verlängert sich zum einen die Zeckensaison durch mildere Temperaturen, zum anderen können Zecken neue Regionen erschließen, welche für sie bisher klimatisch unzugänglich waren. Dies betrifft zum Beispiel skandinavische Länder. In Deutschland besteht keine einheitliche Meldepflicht der Lyme-Borreliose, nur in neun von 16 Bundesländern gilt diese Pflicht. Die genaue Überwachung von Krankheitsfällen ist somit erschwert. Neben der Auswertung von Krankenkassen-Abrechnungsdaten, wie z. B. im Rahmen des Versorgungsatlas-Berichts Nr. 21/06 von Akmatov et al., können Antikörper-Untersuchungen Einblicke in das Infektionsgeschehen gewähren. „Allerdings muss hier erwähnt werden, dass ein Antikörpernachweis in unserer Studie nicht unbedingt mit einer Borreliose-Erkrankung einhergegangen sein muss“, erklärt Max J. Hassenstein.

Weitere Informationen

Kontakt
Dr. Stefanie Castell
E-Mail: Stefanie.Castell@helmholtz-hzi.de

Originalpublikationen

Hassenstein MJ, Janzen I, Krause G, Harries M, Melhorn V, Kerrinnes T, Kemmling Y, Castell S. Seroepidemiology of Borrelia burgdorferi s.l. among German National Cohort (NAKO) Participants, Hanover. Microorganisms. 2022; 10(11):2286. https://doi.org/10.3390/microorganisms10112286

Akmatov MK, Holstiege J, Dammertz L, Kohring C, Heuer J, Bätzing J. Bundesweite und kleinräumige Kennzahlen zur Morbidität von Lyme-Borreliose in Deutschland anhand vertragsärztlicher Abrechnungsdaten, 2010 bis 2019. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 21/06. Berlin 2021.  https://doi.org/10.20364/VA-21.06

Ansprechpartner für die Presse

Dr. Friederike Fellenberg
NAKO Gesundheitsstudie
Leiterin Projekt- und Wissenschaftskommunikation
Am Taubenfeld 21/2
69123 Heidelberg
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E-Mail: friederike.fellenberg@nako.de

NAKO Gesundheitsstudie

Die NAKO Gesundheitsstudie ist die größte Langzeit-Bevölkerungsstudie in Deutschland. In 18 Studienzentren werden seit 2014 über 200.000 zufällig ausgewählte Personen medizinisch untersucht und nach ihren Lebensgewohnheiten befragt. Zum Start der Studie waren die Teilnehmenden im Alter von 20 – 69 Jahren. 

Die NAKO Gesundheitsstudie ist eine prospektive epidemiologische Kohortenstudie. Die Forschenden beobachten dabei eine große Gruppe, eine sogenannte Kohorte, aus gesunden, kranken oder ehemals kranken Menschen über eine lange Zeitspanne. Ziel ist es, durch wissenschaftliche Auswertungen der Daten der Teilnehmenden, Häufigkeit und Ursachen von Volkskrankheiten wie beispielsweise Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen aufzuklären, Risikofaktoren zu erkennen und Wege für eine wirksame Vorbeugung und Früherkennung aufzuzeigen. 

Das Forschungsprojekt wird von 26 Einrichtungen getragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und weiteren Forschungsinstituten in Deutschland arbeiten in einem bundesweiten Netzwerk zusammen. Die Studie wird vom Verein NAKO e.V. durchgeführt. Finanziert wird sie aus öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Helmholtz-Gemeinschaft und der beteiligten Bundesländer.  

www.nako.de

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