Umwelt und Gesundheit: Luftverschmutzung und der Lärm

Wir sprachen mit Prof. Dr. Barbara Hoffmann und Dr. Alexandra Schneider über gesundheitsschädliche Aspekte des Klimawandels: Luftverschmutzung und Lärm.

Dass der Klimawandel schon jetzt eine Bedrohung sowie eine latente Gesundheitsgefährdung darstellt, ist in aller Munde. Womit hängt es zusammen?

Barbara Hoffmann: Der neueste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vom 28.02.2022 bekräftigt die zunehmende Bedrohung durch den Klimawandel. Prognosen deuten darauf hin, dass der Klimawandel zu anhaltenden Hitzewellen führen wird, die durch eine höhere Frequenz und Intensität, eine längere Dauer und einen früheren Eintrittszeitpunkt innerhalb des Jahres gekennzeichnet sind. Deutschlandweite Temperaturmodelle zeigen über die Jahre hinweg eine Zunahme der Anzahl von Hitzetagen (Tage mit über 30°C) pro Jahr, die sich aber regional durchaus recht unterschiedlich verteilen können.

Womit beschäftigt sich die Umweltepidemiologie der NAKO Gesundheitsstudie?

Alexandra Schneider: Ein Beispiel für umweltepidemiologische Fragestellungen in der NAKO Gesundheitsstudie ist die nächtliche Lärmbelästigung und die damit einhergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen [siehe die Arbeit von Wolf et al. 2020, Anm. d. Red.]. Die subjektive Lärmbelästigung steht im Zusammenhang mit der objektiven Lärmbelastung sowie individuellen und regionalen Faktoren. Eine erste Querschnittsanalyse basierend auf Daten von 86.080 NAKO-Teilnehmenden aus 18 Studienzentren, die von 2014 bis 2017 untersucht wurden, zeigte, dass sich zwei Drittel der Teilnehmenden nicht durch Verkehrslärm belästigt fühlten. Jeder Zehnte berichtete dagegen von starker oder sehr starker Belästigung, mit den höchsten Anteilen in Berlin-Mitte und Leipzig.

Neben subjektiven und objektiven Komponenten der Lärmbelästigung spielen auch weitere Faktoren wie Geografie, Alter und Geschlecht eine Rolle?

Alexandra Schneider: Subjektive Wahrnehmung, objektiv messbare Faktoren und der Ort spielen eine wichtige Rolle. [In der Studie von Wolf] wurden für Faktoren der individuellen Wohnsituation die stärksten Assoziationen mit Lärmbelästigung beobachtet, wie z.B. die Position des Schlafraums zur Hauptstraße im Vergleich zur Lage in Richtung Garten/Innenhof. Teilnehmende im Alter von 40–60 Jahren oder der mittleren und niedrigen Einkommensklasse fühlten sich eher durch Verkehrslärm belästigt als jüngere bzw. ältere Teilnehmende oder solche mit höherem Einkommen. Auch im Bezug auf das Geschlecht gibt es Unterschiede: Frauen fühlen sich häufiger stark oder sogar sehr stark durch Lärm gestört als Männer.

Wie wissen wir, ob die Luft, die wir täglich atmen, auch wirklich gut ist? Nach welchen Kriterien wird die Luftqualität eingestuft und ab wann gilt diese als gesundheitsschädlich?

Barbara Hoffmann: Nach fünf Jahren Bearbeitung sind am 22. September 2021 die neuen globalen Luftgüteleitlinien (Air Quality Guidelines) erschienen. Darin empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Richtwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe: Feinstaub, Stickstoffdioxid, Ozon, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid. Diese Richtwerte der WHO sind nicht bindend, allerdings hat die EU sich zum Ziel gesetzt, sich bei der Gesetzgebung an den Empfehlungen der WHO zu orientieren.

Also gelten momentan in der EU andere Grenzwerte.

Alexandra Schneider: Die gesetzlichen EU-Grenzwerte weichen von den aktuellen WHO-Empfehlungen ab. Ich möchte die Abweichung anhand eines Beispiels zeigen: Der gesetzliche Grenzwert für den Jahresmittelwert von Feinstaub PM2.5 liegt in Europa bei 25 µg/m3, während die WHO – auf der Basis von umfangreichen Studien – einen Wert von unter 5 µg/m3 empfiehlt. [Ein µg ist ein Millionstel Gramm und ist, salopp ausgedrückt, leichter als ein Sandkorn, Anm. d. Red.]

Die meisten Menschen wissen, dass Feinstaub, Stickstoffdioxid, Ozon, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid für die Gesundheit gefährlich sind. Können Sie die Gefahren konkret in Zahlen fassen?

Barbara Hoffmann: In der EU führt Luftverschmutzung im Schnitt zu einer Reduktion der Lebenserwartung von ca. 9 Monaten.

Ein ziemlich düsteres Szenario, wenn umweltpolitisch nichts passiert. Womit können wir in Zukunft rechnen und welche Hindernisse gilt es zu meistern?

Alexandra Schneider: In Brüssel werden neue Luftschadstoff-Grenzwerte für die EU erarbeitet, da – auf der Basis wissenschaftlicher Studien – das bisherige Gesetz die Bevölkerung unzureichend vor den schädlichen Wirkungen von Luftverschmutzung schützt. Das EU-Parlament hat eine Übernahme der WHO-Empfehlungen gefordert.

Sie meinen also, dass auf der Basis der neuen Luftgüteleitlinien der WHO eine schrittweise und kontinuierliche Reduzierung der Exposition der Bevölkerung erforderlich ist, um eine optimale Prävention zu gewährleisten.

Alexandra Schneider: Optimal wäre auf der einen Seite die kontinuierliche Reduktion der bevölkerungsbezogenen Belastung und auf der anderen das Angebot von Anreizen für eine Verbesserung der Luftqualität selbst in den Mitgliedsstaaten bzw. Regionen, die bereits relativ niedrige Werte aufweisen. Dadurch könnte man vermeiden, dass wichtige Emittenten nicht einfach innerhalb eines Landes bzw. einer Region verlagert werden, ohne die Menge an Emissionen zu verringern.

Das Thema Umwelt und Gesundheit ist stark politisch besetzt. Kann eine wissenschaftliche Gesundheitsstudie wie die NAKO zur Lösung gesundheitspolitischer Fragestellungen beitragen?

Barbara Hoffmann: Die Forschung verbessert den Wissensstand und gibt Entscheidungsträgern valide Kriterien und Empfehlungen zur Verbesserung. Die NAKO Studie wird, als bevölkerungsbasierte Langzeitstudie, eine Reihe wertvoller Erkenntnisse zu Umwelt- und zu gesundheitsrelevanten Fragen (wie beispielsweise regionale Unterschiede oder zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen) generieren sowie konkrete Empfehlungen zum Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen aussprechen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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