Umwelt und Gesundheit: Die Lichtverschmutzung

Zum Thema Lichtverschmutzung haben wir zwei NAKO Wissenschaftlerinnen, Prof. Dr. Barbara Hoffmann vom Universitätsklinikum Düsseldorf und Dr. Alexandra Schneider vom Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Helmholtz München, interviewt.

Was ist mit Lichtverschmutzung genau gemeint?

Barbara Hoffmann: Der Begriff Lichtverschmutzung oder Lichtsmog bezeichnet die dauernde Abwesenheit völliger Dunkelheit und bewertet diesen Sachverhalt zudem negativ als eine Art der Umweltverschmutzung.

Der Nachthimmel wird durch Lichtemission aufgehellt, besonders wenn das Licht nach oben abgestrahlt wird beispielsweise durch die nächtliche Beleuchtung in Ballungsgebieten. Das Licht wird in den Luftschichten der Erdatmosphäre gestreut, womit die natürlichen Dunkelheit überlagert wird.

Warum wird dieses Phänomen auch als Lichtkuppel bezeichnet?

Alexandra Schneider: Der Ausdruck „Lichtkuppel“ oder auch „Lichtglocke“ versinnbildlicht ziemlich genau dieses Phänomen, das künstliche Lichtquellen in der Nacht erzeugen.

Inwiefern kann Lichtverschmutzung für den Menschen zum Problem werden?

Barbara Hoffmann: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben derzeit 55% der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2050 auf 68% steigen wird. Im Gegensatz zu natürlichen Ökosystemen, in denen die täglichen Aktivitäten durch natürliche Hell-Dunkel-Zyklen reguliert werden, sind Städte stark beleuchtet um die Durchführung einer Vielzahl von Aktivitäten nach Einbruch der Dunkelheit zu ermöglichen.
Da künstliches Licht in der Nacht breit verfügbar und erschwinglich ist, sind Menschen und andere lebende Organismen zunehmend negativen und allgegenwärtigen Auswirkungen des übermäßigen bzw. teilweise unerwünschten künstlichen Lichts ausgesetzt.

Lichtverschmutzung ist also gesundheitsschädlich? Kann man Erkrankungen auf die Lichtverschmutzung zurückführen?

Alexandra Schneider: Die Forschung zu den Gesundheitseffekten ist noch relativ jung. Bisher konnte ein Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung und Essstörungen, Gewichtszunahme, Depression, Schlafstörungen und Tumorentwicklung festgestellt werden.

Umwelteinflüsse und geografischen Faktoren stehen im Fokus einer interdisziplinären NAKO Expertengruppe. Welche Ziele hat man sich gesetzt?

Alexandra Schneider: Die NAKO Gesundheitsstudie untersucht die Gesundheit von mehr als 200.000 Erwachsenen und bietet daher eine einzigartige Gelegenheit, innovative Modelle der zeitlichen und räumlichen Variabilität von Wetter, von Luftverschmutzung, Lärm, Grünflächenverteilung und anderen Kontextfaktoren (wie auch die Lichtverschmutzung) zu untersuchen und frühe pathophysiologische Reaktionen zu identifizieren.

Barbara Hoffmann: Wir untersuchen z. B. den Einfluss der verschiedensten Umweltfaktoren auf die kardiovaskuläre, metabolische und kognitive Funktion sowie die psychische Gesundheit als auch die Belastung durch Infektionskrankheiten.

Es ist u. a. geplant, Lufttemperatur (z.B. Tagesmaximum, Nachtminimum, Wärmeindizes), Feuchte- und UV-Modelle mit Gesundheitsdaten und individuellen und regionalen Merkmalen anhand des Untersuchungsdatums und der Teilnehmeradressen zu verknüpfen. Dies wird zu einem neuartigen Verständnis der zugrundeliegenden physiologischen Reaktionen maßgeblich beitragen.

Alexandra Schneider: Darüber hinaus wird es innerhalb der NAKO möglich sein, Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Umweltfaktoren als auch zwischen Umwelteinflüssen und individuellen bzw. regionalen Faktoren (z.B. Alterung, Multi-Morbidität, städtische vs. ländliche Gebiete) zu quantifizieren. Die daraus resultierende Ableitung von unterschiedlichen Expositions-Wirkungs-Funktionen auf verschiedene Bevölkerungsuntergruppen wird dazu beitragen, besonders gefährdete Subpopulationen in Deutschland zu identifizieren. Dies wird zur Entwicklung von speziellen Interventionen und Anpassungsstrategien beitragen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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