(Quelle: Michael Romacker.)


Wie fühlt es sich an, als Fußballerin die Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft zu gewinnen – und das gleich mehrmals? Darüber und über ihre Teilnahme an der NAKO-Fußballstudie haben wir mit Ariane Hingst gesprochen:

1. Was ist ihre persönliche Motivation, an der NAKO Fußballstudie teilzunehmen?

Generell finde ich, dass es viel zu wenige Studien gibt, die sich mit der Gesundheit von Fußballerinnen beschäftigen. Ich finde es großartig, dass in der NAKO Fußballstudie sowohl Frauen als auch Männer untersucht werden, die eine Karriere im Profifußball hatten.
Gleichzeitig ist die NAKO Fußballstudie auch die erste wissenschaftlich-medizinische Studie, an der ich teilnehme – und wenn ich durch meine Teilnahme etwas zur Forschung beitragen kann, mache ich das natürlich gerne.

2. Wann haben Sie angefangen, Fußball zu spielen und wie wurden Sie Fußballprofi?

Ich spiele schon, seit ich laufen kann. 😊 So richtig im Verein habe ich angefangen, als ich sieben Jahre alt war, bei Hertha 03 Zehlendorf.
Gescoutet wurde man damals noch nicht: Ich bin irgendwann einfach zu Turbine Potsdam gewechselt, da der Verein in der Nähe meines Wohnorts Berlin war und in der Bundesliga gespielt hat. Wenn man sich die damaligen Rahmenbedingungen und die Bezahlung anschaut, kann man allerdings nicht wirklich von Profifußball sprechen… Aber es war auch eine andere Zeit.

3. Sie sind zweifache Weltmeisterin und vierfache Europameisterin. Gibt es einen Titel, der Ihnen besonders viel bedeutet?

Nein, man kann die Titel absolut nicht miteinander vergleichen. Das ist, als ob man sagen müsste, welches seiner Kinder man am meisten liebt – jeder Titel ist einzigartig und mit tollen Erinnerungen verknüpft.

4. Sie haben während Ihrer Karriere in verschiedenen Ländern gespielt – wie war diese Erfahrung für Sie?

Eines meiner Karrierehighlights waren definitiv die Länder, die ich bereisen konnte. Normalerweise kommt man nicht besonders viel mit der Kultur eines Landes in Berührung, da man selten mehr als den Flughafen, das Hotel und den Fußballplatz zu sehen bekommt. Aber als ich bei den Olympischen Spielen in Sydney teilnehmen durfte, wusste ich, dass ich unbedingt noch einmal nach Australien wollte.
Später habe ich mehrere Jahre in Australien gespielt und das Land bereist. Auf diese Idee wäre ich ohne die Olympischen Spiele nicht gekommen. Ich habe während meiner Karriere so viel gesehen und so viele Menschen kennengelernt – das zeigt, dass es letztendlich um so viel mehr geht als nur ums Fußball spielen.
Die Jahre, die ich in Australien, und davor in Schweden, gespielt habe, waren extrem bereichernd für mich, und ich kann jedem, der die Möglichkeit dazu hat, nur empfehlen, eine Zeitlang im Ausland zu leben.

5. Während Sie als Fußballprofi aktiv waren, haben Sie zwei Ausbildungen absolviert: Sie sind gelernte Bankkauffrau und Physiotherapeutin. Wie haben Sie das zeitlich unter einen Hut bekommen?

Die Zeit der Ausbildung war sehr anstrengend. Ich habe bei der Deutschen Bank gelernt, die damals schon Sport gefördert hat. Einige der anderen Auszubildenden waren ebenfalls Sportler im Profibereich, wir hatten u.a. Schwimmer, Boxer und Kanuten in einer Klasse. Der große Vorteil daran war, dass ich in einer 50% Anstellung arbeiten konnte und für die Profispiele keinen Sonderurlaub nehmen musste.
Die Ausbildung zur Physiotherapeutin war sehr anstrengend: Mein Tag ging oft von 7 Uhr morgens bis 9 oder 10 Uhr abends – aber das war damals einfach so. Ich bin froh, dass sich die Zeiten geändert haben und Fußballerinnen mittlerweile bessere Möglichkeiten haben.

6. Ziel der NAKO Fußballstudie ist es, herauszufinden, welche Langzeitfolgen eine Profikarriere mit sich bringen kann. Spüren Sie körperliche Beschwerden, die mit Ihrer Karriere als Fußballprofi zu tun haben könnten?

Definitiv: Ich habe Knorpelschäden in meinen beiden Knien, wodurch ich leider Gottes nicht mehr lange joggen, und nicht mehr Fußball spielen kann. Und auch mein Rücken hat unter den Folgen zu leiden – meine Karriere ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen…

7. Wie kam es dazu, dass Sie nach Ihrer Karriere als Fußballspielerin Trainerin geworden sind?

Die damalige Trainerin der Nationalmannschaft, Tina Theune, hat mich und andere Spielerinnen dazu motiviert, ebenfalls den Trainerschein zu machen. Mich hat das zu der Zeit aber nicht besonders interessiert. Später bin ich ins Ausland gegangen und hatte mit Verletzungen zu kämpfen, sodass ich den Trainerschein letztendlich erst nach meiner aktiven Karriere gemacht habe. Ich wusste damals nicht genau, was ich nach der Profikarriere machen wollte, nur, dass ich weder in der Bank noch als Physiotherapeutin arbeiten mochte – und dann war ich plötzlich mittendrin (2016 zunächst als Co-Trainerin des VfL Wolfsburg und seit 2021 als Co-Trainerin der deutschen U19- und U20-Nationalmannschaft, Anm. d. Red.).

8. Was macht mehr Spaß: Fußballprofi oder Fußballtrainerin sein?

Das kann man eigentlich nicht vergleichen: Für mich sind das getrennte Lebensabschnitte. Es war ein absoluter Traum für mich, so lange Fußball spielen zu können, und jetzt macht es mir großen Spaß, als Trainerin zu arbeiten. Aber auch dieser Abschnitt wird irgendwann zu Ende sein, und dann kommt wieder etwas Neues – alles hat seine Zeit.

9. Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Ich verreise sehr gerne und bin leidenschaftliche Taucherin. Vor allem in Südostasien, im warmen Meer, ist es einfach traumhaft zu tauchen. Aber es gibt noch sehr viele andere Orte auf meiner Liste, die ich bisher noch nicht bereist habe. 😊