Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) nutzen eine digitale Applikation, um das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung zu beobachten und zu erforschen. Das eResearch System „PIA (Prospektive Monitoring und Management – App)“ – explizit für diesen Zweck vom HZI entwickelt – ermöglicht Nutzerinnen und Nutzer ihren Gesundheitszustand inklusive ihrer Symptome über einen längeren Zeitraum in Echtzeit zu berichten. Dies ist nur möglich, weil die Nutzerinnen und Nutzer aktiv einbezogen werden, ihre Symptome proaktiv melden können und – im Fall von Schnupfen beispielsweise – sich selbstständig einen Nasenabstrich entnehmen.
„Die Proben gehen dann an das Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und werden auf viele typische respiratorische Erreger analysiert“, so Jana-Kristin Heise, stellvertretende Studienzentrumsleiterin am NAKO Standort Hannover. Anschließend erhalten die jeweiligen Nutzer*innen das resultierende Laborergebnis über PIA.
Zum ersten Mal kam PIA im Rahmen des NAKO Zusatzprojekts „ZIFCO“, auch Level-3-Projekt genannt, am NAKO Studienzentrum in Hannover zum Einsatz. Über 1.000 NAKO Teilnehmende nehmen an dieser Studie teil, können wöchentlich – mittels PIA – über ihren Gesundheitszustand berichten und versenden im Fall von Krankheitssymptomen dafür vorgesehene Nasenabstrichsets.
Das Ziel der ZIFCO-Studie ist unter anderem Risikofaktoren für akute Infektionskrankheiten wie Atemwegs-, Magen-Darm- oder Harnwegsinfektionen zu untersuchen und so herauszufinden, warum manche Menschen häufiger krank werden als andere oder was Menschen auszeichnet, die seltener an diesen Infekten erkranken.
Aktuell liegen erste Studienergebnisse vor, die sich mit der Eignung des Systems PIA für die epidemiologische Forschung beschäftigen. Das Wissenschaftsteam um Dr. Stefanie Castell, berichtet von einer guten Nutzerakzeptanz der App, die abhängig von der allgemeinen Technikaffinität der Teilnehmenden ist. „Wir haben beobachtet, dass Teilnehmende, die grundsätzlich eine höhere Bereitschaft haben technische Systeme zu nutzen, die App besser bewerteten als Teilnehmende, die weniger technikaffin sind“, merkt Jana-Kristin Heise, eine der Erstautorinnen der Publikation, an. Während dieses Ergebnis den Erwartungen des Wissenschaftsteams entspricht, konnte die Annahme, dass ältere Personen die App weniger nutzen würden als Jüngere, hingegen nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: „Wir waren von dem Ergebnis überrascht, dass Frauen und junge Menschen das System PIA weniger zuverlässig nutzen als Männer und ältere Personen“.
Die Wissenschaftlerin betont, dass eine verlässliche Infektionssurveillance auch in Studien (Beobachtung des Infektionsgeschehens) nicht ohne digitale Systeme möglich ist.
„Es steht nicht zur Debatte, ob digitale Systeme in Zukunft mehr und mehr in der epidemiologischen Forschung Anwendung finden, sondern viel mehr, wie diese verbessert werden können, um Nutzerinnen und Nutzer dazu zu motivieren ein System regelmäßig und über einen längeren Zeitraum zu nutzen.“
Jana-Kristin Heise, stellv. Leiterin des Studienzentrums Hannover