Wir haben einen der NAKO Experten zu dem Thema interviewt

Prof. Dr. med. Marcus Dörr von der Universitätsmedizin Greifswald hat uns unsere Fragen beantwortet

Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen? Haben Sie sich schon immer für das menschliche Herz interessiert?

Als ich begonnen habe, zu studieren, hatte ich noch keine klaren Vorstellungen davon, in welchem Fachgebiet der Medizin ich später arbeiten mochte. Meine Begeisterung für die Kardiologie wurde im Laufe des Studiums durch den Kontakt zu einem sehr engagierten Dozenten geweckt. Ich dann in diesem Fachgebiet meine Doktorarbeit geschrieben und bin dort „hängen geblieben“.

Welche Herzuntersuchungen werden im Rahmen der NAKO-Untersuchung gemacht?

Bei allen NAKO Teilnehmenden werden im Rahmen der Interviewfragen für uns diese Studie wichtige Informationen zu Risikofaktoren und bereits vorliegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z.B. Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Herzschwäche (Herzinsuffizienz) erhoben. Zudem finden bei allen Teilnehmer*innen Messungen des Blutdruckes, der Steifigkeit der Gefäße (sog. Pulswellenanalyse) und eine Bestimmung des Knöchel-Arm-Index, der Auskunft über Durchblutungsstörungen der Beine geben kann, statt. Darüber hinaus wird bei einem Teil der NAKO-Teilnehmer*innen ein Elektrokardiogramm (EGK) aufgezeichnet sowie die Struktur und Funktion des Herzens mittels Ultraschall (3D-Echokardiographie) und Herz-MRT untersucht. Ebenso liefert der Fahrradbelastungstest wichtige Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems. Aber auch andere Untersuchungen wie z.B. bestimmte Blutuntersuchungen, die Bestimmung der Körperzusammensetzung oder die Messung der alltäglichen körperlichen Aktivität mittels Akzelerometer geben Auskunft über die Entstehung von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.

Inwiefern hilft die NAKO dabei, mehr über das Thema Herz-Gesundheit herauszufinden?

Die in der NAKO erhoben Daten können sehr gut dabei helfen, die Entstehung und das Voranschreiten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch besser zu verstehen. Aufgrund der Größe der Studie und der wiederholten Untersuchungen wird es möglich sein, auch über die frühen Phasen der Krankheitsentstehung mehr zu erfahren und hoffentlich zukünftig Methoden zu entwickeln, die helfen, diese Erkrankungen früher zu erkennen oder ihnen vorzubeugen. Da in der NAKO neben den das Herz-Kreislauf-Untersuchungen noch viele andere Untersuchungen durchgeführt werden, sehe ich eine besondere Chance auch darin, die Wechselwirkungen verschiedener Organsystem noch besser zu untersuchen und verstehen zu können.

Es gibt ja das sogenannte Broken-Heart-Syndrom: Wenn beispielsweise bei einem alten Ehepaar ein Partner stirbt, und der andere Partner kurz darauf ebenfalls an seinem/ihrem „gebrochenen Herzen“. Stimmt es tatsächlich, dass sich negative Gefühle derart stark auf die Herz-Gesundheit auswirken können?

Wie wissen schon seit langen, dass der seelische Zustand einen großen Einfluss auf die Funktionen und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems hat. So können z.B. emotionaler Stress oder Depressionen zur Entstehung eines Bluthochdrucks oder eines Herzinfarktes beitragen. Das Broken-Heart-Syndrom (auch als Happy-Heart-Syndrom, Stress-Kardiomyopathie oder Tako-Tsubo-Syndrom bezeichnet) ist ein Krankheitsbild, das erst seit Ende 1990er Jahres bekannt und in den letzten Jahren intensiv beforscht wird. Dabei kommt es zu einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung des Herzens, ohne dass jedoch eine Einengung der Herzkranzgefäße vorliegt. In der Folge entsteht eine Funktionsstörung der linken Herzkammer. Die damit einhergehenden Symptome und Komplikationen entsprechen denen eines Herzinfarktes. Auslöser sind häufig starke emotionale negative oder positive Situationen, Stress oder Schmerzen. Man geht derzeit davon aus, dass der Entstehung dieser Erkrankungen Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Herz zugrunde liegen.

Bei der EM brach der dänische Nationalspieler Christian Eriksen plötzlich zusammen und erlitt einen Herzstillstand. Wie kann es sein, dass so etwas bei einem so jungen Menschen passiert, der auch noch regelmäßig medizinisch komplett durchgecheckt wird?

Mir ist die Diagnose in diesem Fall nicht bekannt. Eine typische Ursache wäre jedoch eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis), die z.B. im Rahmen eines – meist viralen – Infektes auftreten kann und häufig relativ asymptomatisch verläuft. Gerade im Rahmen von starken körperlichen Anstrengungen kann es dann zu teilweise bedrohlichen Herzrhythmusstörungen kommen. Man vermutet, dass dies die häufigste Ursache für den sog. plötzlichen Herztod bei Sportlern ist. Neben der Myokarditis, können auch seltenere – meist vererbbare – spezifische Herzmuskelerkrankungen (sog. Kardiomyopathien), die in den Routineuntersuchungen nicht immer nachweisbar sein müssen, Ursache solcher dramatischen Ereignisse sein.

Gibt es Gefahren für das Herz, die häufig unterschätzt werden?

Ein oft unterschätzter, aber sehr wichtiger Risikofaktor für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist ein Bluthochdruck. Das gefährliche dabei ist, dass man erhöhten Blutdruck meist zunächst nicht bemerkt, da er keine oder nur wenige eher unspezifische Beschwerden verursacht. Wenn Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Gesichtsrötung oder gehäuftes Nasenbluten auftreten, liegen häufig schon Schädigungen des Herzens und der Blutgefäße vor, die in einen Herzinfarkt, eine Herzschwäche oder einen Schlaganfall münden können. Oft unterschätzt wird auch die Herzmuskelerkrankung, die wie in der letzten Frage ausgeführt wurde, ebenfalls häufig asymptomatisch verlaufen kann. Deshalb sollte man z.B. auf Sport verzichten, wenn man einen viralen oder grippalen Infekt hat, seine die Beschwerden auch noch so klein.

Was kann man im Alltag für seine Herz-Gesundheit tun?

>Die meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen aus einem Zusammenspiel von Faktoren, die wir nicht beeinflussen können wie Erbfaktoren oder das Alter, und aus beeinflussbaren Risikofaktoren. Diese umfassen u.a. Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung oder ungesunde Ernährung bzw. die Dinge, die wir durch einen bewussten und gesunden Lebensstil selbst beeinflussen können. Man kann durch kleinere Umstellungen bereits erstaunliche Effekte erzielen. So kann z.B. bei übergewichtigen Personen durch eine Gewichtsabnahme von 10 kg der systolische Blutdruckwert um bis zu 10 mmHg gesenkt werden. Das ist mehr, als man durch viele Blutdruckmedikamente erreichen kann.

Kurzvita:
• Leitender Oberarzt (Forschung und Lehre), Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald
• Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie
• Professor für kardiovaskuläre Prävention und Epidemiologie
• Leiter der AG „Leiter der AG Translationale Prävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen“
• Modul-Verantwortlicher des NAKO-Moduls „Bestimmung des Knöchel-Arm-Index und Pulswellenanalyse“ und Ko-Modulverantwortlicher des NAKO-Moduls „Echokardiographie“
• PI, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Standort Greifswald
• Stellvertretender Präsident, Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi)